Die Weitergabe staatlicher Abhängigkeit: Ein kritischer Blick auf die Sozialhilfesysteme

Die Tendenz, dass Nachkommen von Sozialleistungsempfängern häufig ebenfalls auf staatliche Unterstützung angewiesen sind, wirft Fragen bezüglich der sogenannten „Sozialhilfefalle“ und der Existenz einer „Sozialhilfekultur“ auf. Aktuelle Forschungsergebnisse bieten Einblicke, wie politische Maßnahmen gestaltet werden müssen, um den Kreislauf der Abhängigkeit zu durchbrechen.
Sozialleistungen zielen darauf ab, Menschen temporär zu unterstützen und ihnen ein Leben in Würde zu ermöglichen, bis sie wieder selbstständig für ihren Lebensunterhalt sorgen können. Doch in der Realität mündet der Bezug von Sozialleistungen oftmals in dauerhafte Arbeitslosigkeit und fortgesetzte Staatsabhängigkeit – ein Phänomen, das auch bei den Kindern von Leistungsempfängern beobachtet wird.
Die Frage stellt sich, ob Sozialleistungen damit zur Falle werden. Forschungen unter der Leitung von Regina Riphahn, Volkswirtin, legen nahe, dass, wenn der Bezug von Sozialleistungen von einer Generation zur nächsten vererbt wird, die Systeme für Jugendliche nicht effektiv sind und stattdessen negative Auswirkungen für künftige Generationen haben könnten.
Die „Sozialhilfefalle“ beschreibt das Phänomen, dass das Zusammenspiel von Steuer- und Sozialsysteme Betroffene in einem Zustand der Abhängigkeit hält, da sich Arbeit finanziell kaum lohnt. Diese Thematik wurde von Riphahn, Professorin an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg und Vorsitzende des Vereins für Socialpolitik, und Jennifer Feichtmayer untersucht.
Deutschland bietet als Fallbeispiel eine interessante Perspektive, da es in Bezug auf Einkommensungleichheit, Armut, Sozialleistungen und Sozialausgaben eine Mittelposition zwischen den USA und skandinavischen Ländern einnimmt.
Die Analyse von Daten des Sozio-oekonomischen Panels (SOEP) ergab, dass Kinder von Sozialleistungsempfängern eine signifikant höhere Wahrscheinlichkeit haben, im Erwachsenenalter selbst Sozialleistungen zu beziehen. Dies verdeutlicht eine starke Korrelation, wirft jedoch die Frage nach kausalen Zusammenhängen auf.
Die Studie fand keine Beweise für einen direkten kausalen Effekt des Sozialleistungsbezugs der Eltern auf den ihrer Kinder, was die Theorie einer „Sozialhilfekultur“ in Frage stellt. Stattdessen spielen individuelle Faktoren und Haushaltsbedingungen eine entscheidende Rolle, was eher auf eine „Armutsfalle“ als auf eine „Sozialhilfefalle“ hindeutet.
Diese Erkenntnisse sind für die politische Gestaltung von großer Bedeutung. Um die über Generationen weitergegebene Abhängigkeit zu verringern, sollten politische Maßnahmen nicht nur auf die Sozialsysteme selbst abzielen, sondern auch individuelle und haushaltsbezogene Faktoren berücksichtigen, wie etwa die Förderung von Bildung, Gesundheit und Arbeitsmarktengagement.
Die Forschung betont die Bedeutung des Bildungssystems als Ansatzpunkt für politische Maßnahmen, insbesondere bei Kindern und Jugendlichen in kritischen Entwicklungsphasen. Eine verbesserte Teilnahme am Bildungssystem könnte die intergenerationale Weitergabe von Staatsabhängigkeit verringern und die Chancen auf eigenständige Lebensführung erhöhen.